Wenn die physischen Kontakte minimiert werden sollen, verlegt man sich auf virtuelle. Kein Wunder also, dass die Coronakrise den meisten digitalen Verlagsangeboten im März kräftig steigende Reichweiten brachte. Bei führenden Nachrichtenseiten bauten sich plausiblerweise die Reichweiten im Verlauf des Monats auf (Grafik unten) – parallel zu den von der Politik verordneten Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Bild.de wies zum Beispiel den Reichweiten-Peak mit 9,5 Millionen Unique Visitors am Sonntag, dem 22. März auf. Das war der Tag, an dem Bundesregierung und Bundesländer weitgehende Kontaktbeschränkungen inklusive der Geschäfts- und Restaurantschließungen vereinbarten.
Während Bild.de an jedem einzelnen Tag eine höhere Reichweite als Focus online erzielte, kehrt sich die Reihenfolge um, wenn man die Nutzerzahlen über die Zeit aggregiert: Im Monat März führt Focus online das Ranking der Verlagsangebote mit 33,6 Millionen Nutzern an, vor Bild mit rund 32,0 Millionen. (Grafik unten). Die Erklärung liegt darin, dass Bild mehr regelmäßig wiederkehrende Nutzer als Focus aufweist – vielleicht unter anderem aufgrund des Abo-Modells. Welt, Spiegel und Chip online belegen wie im Vormonat die Plätze 3 bis 5 im Ranking. Chefkoch.de ist von Platz 6 auf Platz 9 abgerutscht und Wetter.com von Platz 8 auf Platz 14. Zwei Berliner Nachrichtenseiten sind in die Top Twenty aufgerückt: die Berliner Morgenpost und BZ-Berlin haben Kino.de und Brigitte.de aus der Spitzengruppe verdrängt.
Auch die relativen Veränderungen der Top Twenty gegenüber dem Vormonat (Grafik unten) hängen vielfach mit den Auswirkungen der Pandemie zusammen. Wer der Aufforderung folgte, zuhause zu bleiben, hatte zum Beispiel kaum Interesse an Wetternachrichten. Wetter.com ist das einzige Top-Twenty-Angebot mit einer rückläufigen Reichweite. Die weitaus höchsten Zuwächse erzielen die beiden Seiten aus der Bundeshauptstadt, Morgenpost und BZ-Berlin, vielleicht begünstigt durch die räumliche Nähe zu politischen Entscheidern und wissenschaftlichen Ratgebern aus Charité und Robert-Koch-Institut. Unter den überregionalen Nachrichtenseiten ragt FAZ.NET mit einem Reichweitenplus von rund 58 Prozent heraus, gefolgt von Süddeutsche.de mit 48 Prozent.
Auch im Vergleich zum Vorjahr (Grafik unten) verbuchen Berliner Morgenpost und BZ-Berlin besonders spektakuläre Reichweitenzuwächse von 191 Prozent bzw. 244 Prozent. Bei den überregionalen Nachrichtenseiten rangiert in diesem Fall die Süddeutsche.de mit einem Plus von 84 Prozent vorn, gefolgt von FAZ.NET mit 63 Prozent und Welt mit 47 Prozent. Abgesehen von Wetter.com und Chefkoch.de, verzeichnen alle Angebote aus den Top Twenty zumindest zweistellige Prozentzuwächse.
Unterhalb der Top Twenty gibt es ein Segment mit durchweg dreistelligen Zuwächsen: die Finanz- und Börsenangebote. Der Crash, der in der letzten Februarwoche eingesetzt hatte, schreckte die Anleger auf, die dann folgende Erholungsphase der Aktienkurse weckte Begehrlichkeiten bei Tradern und Schnäppchenjägern. Finanzen.Net erreichte im März 9,0 Millionen Unique User, was fast einer Verdreifachung gegen Vorjahr entspricht (+281 Prozent). Finanzen 100 kam auf 8,6 Millionen Nutzer (+130 Prozent), Boerse-online.de erreichte 2,7 Millionen Nutzer (+158 Prozent) und Boerse.de 2,1 Millionen Nutzer (+194 Prozent).
Bei den digitalen Ablegern der klassischen Wirtschaftsmagazine hat Manager Magazin online nach Niveau und Zuwachsrate die Nase vorn: 5,5 Millionen Nutzer wurden im März 2020 erreicht, fast doppelt so viele (+92 Prozent) wie im Jahr zuvor.