Nachrichtenmagazine und Zeitungen sind für die Information und Meinungsbildung der Bevölkerung wichtiger, als etwa Spezialtitel fürs Fliegenfischen oder Snowboarden. Sie sind daher für die Demokratie besonders “systemrelevant”. Grund genug, sich bei PZ online einmal anzuschauen, wie es um die digitale Transformation in diesem Segment steht.
Addiert man die monatlichen Unique User der zehn reichweitenstärksten überregional ausgerichteten Nachrichtenseiten, so kommt man für April 2018 auf eine Bruttoreichweite von rund 143 Millionen. Die hohe Zahl kommt zustande, weil es beträchtliche Überschneidungen gibt: Viele Nutzer greifen im Laufe eines Monats auf mehrere Nachrichtenseiten zu. Im Trend der letzten drei Jahre ist die Bruttoreichweite der Nachrichtenseiten gestiegen (Grafik unten). Das Allzeithoch von 148 Millionen liegt allerdings ein wenig zurück: Es wurde anlässlich der Bundestagswahl im September 2017 erreicht.
Dass es seither keinen neuen Rekord gab, lässt sich durchaus positiv deuten: Schließlich waren es in der Vergangenheit mehrfach „bad news“, die neue Höchstwerte produzierten, so etwa die Pariser Anschläge im November 2015, die Kölner Silvesternacht im Januar 2016 und der Amoklauf von München im Juli 2016.
Die Visits aus dem Inland (Grafik unten) zeigen bei schlechten Nachrichten ebenfalls starke Ausschläge nach oben. Hier scheint es aber einen zusätzlichen Effekt zu geben: Eine relativ kleiner Teil hoch involvierter Nutzer treibt womöglich die Besuche in politisch bewegten Phasen in die Höhe. So erreichten die Visits ihr Allzeithoch im Januar dieses Jahres als der Streit über eine nochmalige „GroKo“-Beteiligung der SPD heftig entbrannte.
Die Besuchsfrequenz, definiert als die durchschnittliche Zahl der monatlichen Besuche pro Nutzer, fällt bei den einzelnen Nachrichtenseiten unterschiedlich aus. Nimmt man die Werte im bisherigen Jahresverlauf (Grafik unten), so liegt Bild.de mit rund 16 inländischen Visits pro Unique User an der Spitze vor Spiegel online mit zehn Visits. Focus online führt das Ranking nach der Nutzerzahl vor Bild.de an, liegt aber nach Visits und nach Besuchsfrequenz auf dem dritten Platz. Sieben Mal besucht der durchschnittliche Nutzer während eines Monats die digitalen Focus-Angebote, egal ob mit stationären oder mobilen Geräten. Bei anderen Nachrichtenseiten fällt die Besuchsfrequenz noch geringer aus.
Das sind aber – wohlgemerkt – alles nur Mittelwerte. Die Streuung um den jeweiligen Mittelwert ist groß: Medienleute, Politprofis und andere Intensivnutzer konsultieren womöglich mehrmals am Tag die Nachrichtenseite ihres Vertrauens. Zu den Intensivnutzern werden – sofern vorhanden – auch die zahlenden Abonnenten gehören. Solchen Stammlesern steht viel „Laufkundschaft“ gegenüber. Das sind nicht zuletzt Nutzer, die nur sporadisch über Suchmaschinen oder soziale Medien auf die Nachrichtenseite gelangen. Würde man die Reichweiten weniger großzügig messen, fiele natürlich der Anteil loyaler Stammleser höher aus, als es heute der Fall ist.
Blickt man auf die beiden nach Visits führenden Angebote, so zeigen sich unterschiedliche Trends (Grafik unten). Bei Bild.de nimmt die Besuchsfrequenz moderat zu. Dies könnte mit dem Abo-Modell Bild+ zusammenhängen, das vor gut vier Jahren eingeführt wurde. 365.000 Abonnenten meldete der Verlag für Bild Plus im letzten Herbst. Nimmt man an, ein Digital-Abonnent besuche dreimal am Tag die Seite, so kämen 33 Millionen Visits, entsprechend annähernd zehn Prozent von zahlenden Lesern.
Spiegel online ist nach Angaben von Stefan Plöchinger von solchen Abo-Zahlen noch weit entfernt. Man hatte bisher vor allem auf die Einzelvermarktung von Artikeln gesetzt. Gegenwärtig bereitet Stefan Plöchinger als Leiter der Produktentwicklung die Einführung eines neuen Abo-Angebots unter dem Namen Spiegel+ vor. Im Erfolgsfall dürfte die Besuchsfrequenz, die bisher eine leicht sinkende Tendenz zeigte, in Zukunft ansteigen.