Die Besuchsfrequenz lässt sich ermitteln, indem man die von der IVW ausgewiesenen Visits im Inland in Beziehung setzt zu den von den digital facts der AGOF erhobenen Unique Usern. Man erhält dann für einen bestimmten Monat die durchschnittliche Zahl der Besuche pro Nutzer. Die Inlands-Visits zu verwenden, ist sinnvoll, weil die Grundgesamtheit der digital facts die inländische Bevölkerung umfasst.
Die Grafik unten zeigt für Juli die Angebote mit überregionaler Ausrichtung und tagesaktueller Berichterstattung, die in PZ Online erfasst sind. Der Juli 2016 war ein ungewöhnlich nachrichtenstarker Sommermonat (Amoklauf in München, Terroranschläge in Nizza, Würzburg und Arnsberg, Putschversuch in der Türkei), der den Nachrichtensites hohe Zugriffszahlen bescherte. Die durchschnittliche Zahl der Inlands-Visits pro Nutzer – siehe die Balken ganz rechts – mag zunächst überraschen: Sie ist relativ gering. Der durchschnittliche Nutzer von Bild.de besuchte die Site (bzw. die Apps der Marke) 16-mal im Monat, sei es mit stationären oder mobilen Endgeräten. Das ist der höchste Wert des Konkurrenzfeldes. Spiegel online kommt auf 11-mal und Focus online auf 8-mal. Bei anderen Medienmarken fällt die Besuchsfrequenz noch niedriger aus.
Das sind – wohlgemerkt – Mittelwerte. Man kann sich vorstellen, dass die Streuung um den jeweiligen Mittelwert erheblich sein dürfte: Da gibt es auf der einen Seite Medienleute, Politprofis und andere Intensivnutzer, die bei echten „Breaking News“ mehrmals am Tag die Nachrichtenseite ihres Vertrauens konsultieren. Ihnen stehen auf der anderen Seite solche Nutzer gegenüber, die vielleicht ein-, zweimal im Monat über Links von Suchmaschinen oder sozialen Medien auf die Sites kommen. Die Streuungsparameter können bei einzelnen Medienmarken unterschiedlich aussehen. Unter diesem Vorbehalt lässt sich als Faustregel formulieren: Je höher die durchschnittliche Besuchsfrequenz, desto höher ist der Stammleseranteil, den eine Medienmarke mit ihrem digitalen Journalismus erreicht.
Dass die Messzahl „Visits pro Unique User“ bei den Nachrichtenseiten insgesamt bemerkenswert niedrig ausfällt, korrespondiert mit Befragungsergebnissen des Instituts für Demoskopie Allensbach, die Johannes Schneller präsentiert hat – hier die pdf-Datei seiner Charts. Demnach haben Internetangebote für die regelmäßige tagesaktuelle Information der Bevölkerung eine beachtliche und deutlich zunehmende, aber keine dominante Bedeutung. An einem durchschnittlichen Tag – siehe Grafik unten – informieren sich laut AWA 2016 gerade mal 24 Prozent der Bevölkerung im Netz über das aktuelle Geschehen. Die wichtigste Nachrichtenquelle für Tagesaktuelles ist das Fernsehen (67 Prozent), gefolgt von den Zeitungen (43 Prozent) und dem Radio (36 Prozent).
Dominant ist das Internet jedoch beim konkreten Informationsbedarf. Für die zielgerichtete Suche nach Informationen sind Suchmaschinen vielfach besser als klassische Medien geeignet. Kein Wunder, dass 68 Prozent das Internet nutzen, wenn sie sich über ein Thema näher informieren wollen. Erst danach achten die Leute auch auf Berichte im Fernsehen (60 Prozent), lesen Berichte in Zeitungen (46 Prozent) bzw. Zeitschriften (34 Prozent), achten auf Berichte im Radio (29 Prozent) oder besorgen sich eine Spezialzeitschrift (19 Prozent). Das bedarfsgesteuerte Informationsverhalten hat sich im Zeitverlauf deutlich verändert. 2002 hatte das Internet mit 28 Prozent noch hinter klassischen Medien rangiert, wie die Grafik unten zeigt.
Nun ist bekanntermaßen die gewohnheitsmäßige tagesaktuelle Informationsaufnahme – morgens Zeitung, abends „Tagesschau“ – ein Verhaltensmuster, mit dem die Älteren aufgewachsen sind. Der Umstand, dass die bedarfsgesteuerte Information im Digitalen so komfortabel ist, dass dank Smartphone alle Informationen jederzeit per Knopfdruck abrufbar sind, könnte bei Jüngeren die Vorstellung wecken, die Kontinuität der habituellen Informationsaufnahme sei verzichtbare Zeitverschwendung. Renate Köcher, der Leiterin des IfD Allensbach, beobachtet entsprechende Tendenzen: „Die regelmäßige Information”, schreibt sie in einem Artikel für die FAZ, wird sukzessive durch Information bei Bedarf ersetzt, wird stärker impulsgetrieben und enger auf das fokussiert, was von vornherein interessiert. Eine Folge ist die Verengung des Interessenspektrums der jungen Generation, die sich heute weniger für Politik, Wirtschaft oder Kultur interessiert als unter 30-Jährige vor zehn, fünfzehn Jahren.“
Ob sich solche Tendenzen dauerhaft bei allen “digital natives” verfestigen, bleibt abzuwarten. Dagegen spricht: Die Vorstellung von der Verzichtbarkeit der kontinuierlichen Information dürfte sich als Illusion erweisen, jedenfalls für alle, die kreative Berufe anstreben. Kreativität ist die Fähigkeit, vorhandenes Wissen neu zu kombinieren. Wer alles Wissen im Ernstfall zusammengoogeln wollte, weil im Langzeitgedächtnis Ebbe herrscht, hätte keine Chance. Kurzum: Was unseren Umgang mit digitalen Informationen betrifft, sind weitere Lernprozesse zu erwarten, bei Medienanbietern wie Mediennutzern.