Was macht verkaufsstarke Cover und Titelgeschichten aus? Welche Rolle spielt Aktualität? Welche Emotionalität? Das zeigt die Analyse-Serie von PZ Online. Heute: Der Stern, Deutschlands meistgelesenes aktuelles Wochenmagazin.
Der Blick auf die Bestseller im Einzelverkauf (Grafik unten) vermittelt den Eindruck, dass Stern-Leser viel unterwegs sind. Und dass Städtereisen besonders hoch im Kurs stehen. Es verging kein Jahr, ohne dass eine europäische Metropole einen Medaillenplatz erringen konnte. Im April 2015 – an der in Sichtweite der Redaktion aufragenden Elbphilharmonie standen noch die Baukräne – holte die Titelgeschichte über Hamburg Bronze. Tatsächlich zieht die Hansestadt immer mehr Touristen an und gleicht so die eine oder andere Delle der Hafenwirtschaft aus.
Im März 2016 belegte die Titelgeschichte über London den dritten Platz. „Traumstadt erfindet sich neu“, befand die Redaktion. Und konnte nicht ahnen, dass gewaltige neue Herausforderungen kurz darauf durch das Brexit-Votum auf die City zukommen würden. Im Frühjahr 2017 huldigte das Stern-Cover „dem einzigartigen Zauber der Ewigen Stadt“ und erzielte so das zweitbeste Verkaufsergebnis des Jahres. Ein anderes südliches Sehnsuchtsziel der Deutschen, gleichermaßen für Urlaubs- und Kurzreisen geeignet, ist Mallorca. Mit atemberaubenden Luftaufnahmen der Baleareninsel gewann Ausgabe 28/2016 Silber. Im Frühjahr 2015 gab die Titelstory Anregungen für Ausflüge in heimische Regionen. „50 Traumziele in Deutschland“ holten Gold. Solche Inspiration wird immer mal wieder benötigt, mag sich die Redaktion gedacht haben und empfahl im Juni 2017 „50 Traumziele vor der Haustür“. Mit Erfolg: Es wurde das drittbeste Heft im Einzelverkauf.
Unterm Strich wird klar: Zwar spielen Wochenaktualität und Emotionalität im Gesamtkonzept des Stern eine herausragende Rolle. Für Rekorde am Kiosk sorgen jedoch eher nutzwertige Titelgeschichten mit dem richtigen saisonalen Timing. In diese Kategorie fällt auch „Leichter schlank“, die Titelstory von Ausgabe 3/2016. Nach exzessiven Plätzchen- und Bratengenüssen im Dezember fasst eben die Leserschaft mit gut prognostizierbarer Regelmäßigkeit im Januar allerlei gute Vorsätze. Und nimmt dankbar Ratschläge zur Wiedererlangung der Bikini- bzw. Badehosenfigur entgegen.
Natürlich bringt der Stern auch politische Titelthemen. Der Vatikan-Titel 18/2017 bot gesellschaftspolitischen Zündstoff und holte die Goldmedaille. Es ging um die Enthüllungen des früheren hochrangigen Priesters Krzysztof Charamsa. Der Pole hatte sich zwei Jahre zuvor als homosexuell geoutet und war sofort seiner Ämter enthoben worden. Seine Erfahrungen verarbeitete er in einem Buch, in dem er den Vatikan der Homophobie und Doppelmoral bezichtigte.